That's Capitalism - wie geht's weiter in Berlin (West)?

"Nächste Woche" hieß es immer und immer und immer wieder. Das selbe Fax, die gleichlautende E-Mail war alles, was seit dem Play-Off-Aus im März aus dem Capitals-Headquarter an die Presse bzw. die Öffentlickeit drang. Niemand in der Sommerpause war so Printmedien-feindlich wie der Hauptstadt-Club. Insolvenzantrag doch (nicht?) gestellt, Lizenz gesichert, Lizenz entzogen, ein paar Überweisungen bei der Bank abgegeben, für die anderen war keiner zuständig, Lizenz endgültig weg, Lizenz doch wieder da: So schnell kann niemand schreiben, als daß die Entwicklung in Berlin nicht alles wieder inaktuell machen würde - und dann wieder aktuell. Mich hat's auch erwischt: Nachruf zu früh erstellt - ich hab' auch nicht geglaubt, daß alles gezahlt ist, und vor allem nicht, daß die DEL auch noch jegliches Hühnerauge zukleben würde. Umsonst will ich's auch nicht geschrieben haben, und vielleicht ist's ja doch ganz amüsant. Voila: Mein Nachruf auf die Capitals.

Bei den Preussen - ich nehme mal an, daß der alte Name deshalb wieder ausgegraben wird - ist angesichts des endgültigen DEL-Rauswurfs ein Thema immer mehr im Gespräch: Was kommt nach / statt der DEL? Eines versteht sich da von selbst: "Zu den Eisbären gehn wir nicht!" ist allgemeiner Tenor im Capitals-Forum. Da dürfte auch kein Platz sein, jedenfalls nicht in der alten Halle in Hohenschönhausen.

Andererseits hat der Berliner Senat (obwohl auch er so viel Schulden angehäuft hat, daß er wohl ebenfalls kaum eine DEL-Lizenz bekäme) die Deutschlandhalle zu einem Schmuckstück von Eisstadion umbauen lassen. Irgendjemand sollte da also schon spielen, und irgendjemanden sollten die Capitals-Fans auch in Zukunft anfeuern können. Wer käme in Frage?

Da gibt es die Young Capitals, deren Schicksal allerdings natürlich vom Mutterverein abhängt. Aber vielleicht kann man sich ja "ausgliedern". Da wäre allerdings meines Erachtens die Alternative, mit einer irgendwie gearteten "1. Mannschaft" irgendwo anzutreten, sauberer. Und dann gibt es ja noch ein paar Amateurclubs in der Hauptstadt, wie z.B. FASS Berlin. Diese Truppe schloß sich in den 80ern zusammen, damals als exil-bayerisches Team in West-Berlin.

Dann gibt es, soweit ich weiß, einen Verein mit einem ruhmreichen Namen, Überbleibsel nach dem letzten großen Crash im Berliner Eishockey: Der Berliner Schlittschuhclub! Irgendwo in einer Stadtliga spielt ein Team, das damit in der Tradition des Rekordmeisters (19 Titel zwischen 1912 bis 1976) steht, und das sich nach der Saison 1981/82 "zurückzog". Stattdessen wurde der "BSC Preussen Berlin" gegründet, der 1986 schon wieder erstklassig war und Schulden anhäufen konnte. Nach diversen Namenswechseln (aus Preussen wurden Devils, dann Capitals) platzten seit Januar langsam immer mehr Bomben, so daß es zur jetzigen Situation kam.

Nächste Möglichkeit: Übernahme des Fortuna Düsseldorf-Modells. Wie bekannt, war die Fortuna auf dem Weg in FCA-Gefielde, nur haben die dortigen Punks mehr Geld als die hiesigen, und Die Toten Hosen helfen ihrer alten Liebe aus dem Viertklass-Morast. Hierzulande langt's ja leider nur zu einer mittelprächtigen Softpunk-Hymne, bei der sich wieder einmal zeigt, daß man F***er nicht (mit-)singen lassen sollte. Näheres zur Hosen-Fortuna-Aktion auf www.dth.de bzw. im neuen 11Freunde. Dort steht ein netter Bericht, ich zitiere ein paar Highlights:

"Nach Zamek und Henkel lacht nun ein Totenkopf auf schwarzem Stern von den Jerseys, die gute Laune ist dabei ein Zugeständnis an die sittenstrengen Wächter beim Fußballbund (stimmt nicht, der grinste schon auf alten Platten der Hosen - aber egal).

Campino: "Wir haben uns für den Stern als Logo entschieden. Ich fand als Fan immer jene Werbung gut, die sich in das Trikot einpasst und auch so aussieht wie ein Vereinsemblem. Deshalb haben wir auf alle Schrift verzichtet."

Und weiter: "Wir wollen uns diese Naivität als Fans beibehalten; wir wollen uns nicht in die Vereinspolitik mischen. Als Klugscheißer auf dem Rang machen wir eine wesentlich bessere Figur als auf dem Platz. Wir gehen zu den Spielen, gucken uns das an und leiden mit der Mannschaft. Und freuen uns natürlich gerne über die hoffentlich in der nächsten Saison eintref-fenden Erfolge."

Ein letztes Campino-Zitat: "Man hat uns den Jancker angeboten, aber wir hatten kein Interesse - in Absprache mit der Mannschaft."

Wie soll das in Berlin beim Eishockey funktionieren? Angesichts der Summen (Die Hosen wollen 500.000 DM über den gemeinsamen Sponsor "Diebels" erlösen) bietet sich nur eine Band an, die noch wesentlich erfolgreicher (und natürlich auch besser!) ist: Die beste Band der Welt! Statt Die Toten Hosen könnte ja Bela B. als Sponsor gewonnen werden. Schließlich ertönen Die Ärzte ( www.bademeister.com - immer einen Klick wert!) mindestens so oft in den deutschen Stadien wie ihre Kollegen aus Düsseldorf. Dafür könnte man den Namen "Berlin Devils" reaktivieren, das dürfte Bela gefallen. Ich bezweifle allerdings, daß Die Ärzte ein so großes Faible für Eishockey und die Capitals im speziellen haben, wie die Toten Hosen (Campino: "Ich habe mein erstes Spiel mit acht Jahren gesehen: 1972 gegen Kickes Offenbach, 2:0."). Aber probieren würd' ich's allemal.

Und unterstklassig reicht vielleicht sogar die Kohle von der Terrorgruppe - eine andere Berliner Band (Sänger aus Augsburg!) mit nicht ganz so großem Erfolg.

Ich bin sehr gespannt, was wird in Berlin (West). Denn die Fans werden sich ja wohl kaum in Luft auflösen wie die Banghard-Millionen.

Berlin wäre nicht Berlin, wenn nicht am Schluß doch alles anders kommen würde. Die Capitals spielen doch mit, die 100.000 DM Strafe, die die Ligenleitung aussprach, sind angesichts der bei den Capitals angehäuften Schulden wirklich nur Peanuts, und das negative Punktekonto wurde auch schon ausgeglichen. Und das mit einem anfangs überforderten und uneingespielten Rumpfteam, das aber schnell die ersten Punkte einfuhr und sich schon vom Tabellenende abgesetzt hat. Reschpekt, Gunnar! Das hält mich aber nicht davon ab, noch mal in der Sommerpausen-Wunde rumzubohren:

Herr Banghard, Herr Hopp und der Salary-Cap

Während sich die meisten noch fragen, wieso bei den Capitals scheinbar jahrelang gedacht wurde, man spiele in der NHL und hätte den Etat von Washington, interessiert mich eine ganz andere Frage: Ich würde gern vom Herrn Banghard wissen, wieso denn jetzt auf einmal der Herr Hopp die Millionen in das marode Kapitalisten-Team steckte. Bis zu 30.000.000,00 DM - i.W. dreißig Millionen Mark - waren im Sommer im Gespräch. Und diese Zahl vor den Nullen stammt von Herrn Banghard höchstpersönlich, er selbst sprach von 30. Mio. Schulden.

Mannheims Dietmar Hopp hat erst noch dementieren lassen, da aber alle anderen Geldquellen ausfallen, denn Die Ärzte waren nur ein Konstrukt von mir (s.o.), und auch Anschutz hätte zwar ein Motiv, denn der finanziert ja gern Eishockey am falschen Platz (siehe München) und will eventuell irgendwann eine Euro-NHL. Eigner von London, Prag, Genf, München, Berlin (Ost) etc. ist er schon, jetzt auch noch Geld bei den Capitals? Da bliebe er nicht lange der 16-reichste Mann der Welt. Und niemand kann sich auch beim besten Willen vorstellen, daß Skoda noch mehr als schon verpraßt in die marode GmbH stecken würde. Oder haben die Caps das Leck in der Senatskasse entdeckt, und schöpfen von dort? Oder ist der Herr Banghard tatsächlich so blöd und hat schon wieder alles aus eigener Tasche bezahlt?

Doch dann gab sich der Mäzen zu erkennen: Dietmar Hopp (SAP, Adler Mannheim) half seinem alten Ländle-Kumpel Banghard aus der Patsche.

Ein kurzer Gedanke zu den Ursachen der Schulden: Ist es nicht äußerst wahrscheinlich, daß sich die Capitals wiederholt nicht an den Salary-Cap gehalten haben? Stehen darauf nicht hohe Strafen in den Franchise-Verträgen? Und der Herr Hopp hat übrigens eine Drohung ausgesprochen, wenn die anderen doch mehr ausgeben als erlaubt:

"Ich hoffe, daß sich alle daran halten und ich nicht verarscht werde. Sollte ich hintergangen werden, wird es in den nächsten 20 Jahren nur einen Meister geben: Mannheim." (Dietmar Hopp, SAP auf einer DEL-Gesellschafterversammlung im Frühjahr 1999, in: Günter Klein: "Die Droge Eishockey - von den verzweifelten Versuchen, einen unfinanzierbaren Sport zu finanzieren", S. 19)

Der Herr Hopp hat schon letztes Jahr gemerkt, wie der Hase läuft, deshalb war Mannheim wieder Meister. Und wenn er richtig sauer wird, dann kosten seine Programme eben zwei Mark mehr, und dann spielen neben Ustorf auch noch Benda, Kölzig und Hecht. Oder zwanzig mehr, und Sakic und Jagr zwingen sogar mich zur Fanfreundschaft mit den Adlern.

Soweit soll's nicht kommen, und deshalb schlage ich vor, dem Herrn Hopp (und allen anderen) zu demonstrieren, was wir von dieser Aktion halten, vielleicht hält er sich dann etwas auf dem Spielermarkt zurück.

Bei jedem Capitals-Spiel, zuhause und auswärts, sollte man auch dem Herr Banghard klarmachen, daß wir Fans da nicht mehr mitmachen werden. Und diese Aktionen - Choreographien, Sprechchöre, www.pro-eishockey.de - sollten wir längerfristig durchführen - bis nächste Woche. Und wann diesmal "nächste Woche" ist, bestimmen wir Fans. Wir wollen Aufklärung über das Sommergemauschel und den Winterbetrug, damit "sowas" endlich nicht mehr passiert.

Und letztendlich stellt sich die Frage, ob wir alle nicht besser mit gläsernen GmbHs leben könnten. Den Spielern sollte es nicht allzuviel ausmachen: Jeder von denen will am liebsten in der NHL spielen, und dort sind die Gehälter zwar hoch, aber eben für jeden einsichtig. Angesichts der nackten Zahlen im DEL-Vergleich dürfte das Wirtschaften einiger "kleiner" Vereine in der Wertschätzung vieler rasant steigen. Was nicht heißen soll, daß sich alle "großen" auf Capitals-Niveau bewegen. Die anderen aber haben's nicht anders verdient, denen muß man offenkundig auf die Finger schauen. Und es wäre in ihrem eigenen Interesse, wenn so eine Pleite verhindert würde. Im Interesse der anderen natürlich auch, denn das tolle Licht, das dieser Sommer medial über unsere tolle DEL strahlte, war eben nur die Scheißhauslaterne ausm Dixie-Klo an der abgerissenen Jafféstraßen-Halle. Eine miefige Funzel, die aber leider bis nach Augsburg (Hannover, Köln, Schwenningen ...) leuchtet - ähhh: stinkt.